Lokale Wirtschaftskreisläufe

Nahe Deggendorf gibt es neuerdings einen Käseladen, der mit exzellenter Qualität und überraschend niedrigen Preisen aufwartet. Wie geht das, fragt sich der erstaunte Kunde? Das Geheimnis lautet: Direktvermarktung, lokale Herstellung. Der Käseladen wird direkt beliefert von örtlichen Bauern. Dadurch fallen für beide Seiten die Preisaufschläge des Großhandels weg. Und natürlich auch die üblichen, absurden Transportwege.

Ob so etwas auch in Hildburghausen funktionieren könnte?

Die Krise des Fachhandels ist kein lokales Problem. Wo man hinschaut, sterben die Geschäfte, während neue Discounter am Stadtrand eröffnen. Wehmütig denkt man zurück an Zeiten, als es noch Schuster oder Änderungsschneidereien gab. Aber wer lässt heute noch etwas reparieren, wo man es doch gleich neu kaufen kann, am besten im Internet?

Tatsächlich brauchen wir also auch einen Kunden, der sein Geld bewusst dort ausgibt, wo er gut und gerne leben möchte. Klar, die wenigsten haben es so dick, dass sie sich aus purer Solidarität höhere Preise leisten könnten. Aber oftmals ist der lokale Handel gar nicht teurer.

Mit einem Einkauf vor Ort stütze ich zudem nicht nur ein hiesiges Geschäft – sondern ein Teil meiner Ausgabe fließt als Steuereinnahme zurück in die eigene Kommune. Würde es uns gelingen, nur 5 Prozent der Konsumausgaben aus dem Netz und von den großen Kettenkonzernen zurückzulenken in den lokalen Handel: einige Existenzen wären gesichert!

Was kann die Stadt tun, die Verwaltung? Man hat in letzter Zeit oft den Eindruck: gar nix. Aber das stimmt nicht. Es gibt Instrumente. Parkgebühren hatten wir schon, die Höhe der Gewerbesteuer wäre ein anderer Ansatz. Über eine „Willkommensprämie“ für Neueröffnungen könnte man nachdenken. Über kostenlose Werbeflächen, die zur Verfügung gestellt werden. Natürlich über gut organisierte Veranstaltungen, die Menschen in die Innenstadt ziehen. Und über eine Beschilderung, die den Markt überhaupt auffindbar macht.

Viele kleine Maßnahmen können viel bewirken.

Jetzt höre ich: warum macht das denn nicht alles schon längst der Werbering? Nun, wir sollten da ein Missverständnis aufklären. Im Gegensatz zur Stadtverwaltung verfügt der Werbering über keine einzige bezahlte Stelle. Wir sind allesamt rein ehrenamtlich tätig. Dafür leistet der Werbering schon sehr viel.

Der Werbering ist auch nicht dazu da, eine Ersatz-Stadtverwaltung aufzubieten, die Dinge erledigt, welche ureigene Verwaltungsaufgabe der Kommune sind und dort aber – egal, aus welchen Gründen – liegenbleiben. Dass etwa, wie Bürgermeister Obst nahelegt, die Straßenbeschilderung Richtung Markt Aufgabe des Werberings wäre, ist mir neu.

Aber klar: alle müssen jetzt etwas tun und den Schalter umlegen. Die Stadtführung, der Werbering, die Kunden, die Stadtverwaltung und auch die Einzelhändler selbst. Wir müssen raus aus der Lähmung, raus aus dem Frust. Wir sollten auch Neues ausprobieren, Mut zum Experiment entwickeln. Nur mit Schema F wird es nichts werden.

Wir brauchen dazu auch Ideen von außen. Gerade befinde ich mich auf dem Weg zur IHK in Suhl, um mich mit den Kolleginnen und Kollegen anderer Werberinge zu besprechen. Für die kommenden Wochen stehen Hintergrundgespräche mit Vertretern von Stadtratsfraktionen, aber auch mit einem Bürgermeister an, in dessen Stadt es unter vergleichbaren Bedingungen besser läuft.

Es ist kein Naturgesetz, dass eine so vorzeigbare Innenstadt wie die Hildburghäuser sang- und klanglos ausstirbt. Es wird eine Anstrengung über viele Jahre brauchen, aus dem derzeitigen Desaster herauszukommen. Und wir brauchen dafür alle, die guten Willens sind. Pessimismus, Bedenkenträgerei und Parteien-Hickhack hatten wir genug. Wir wollen nicht mehr hören, was alles nicht geht. Wir brauchen jetzt eine breite Diskussion, die von Lösungen und von Chancen handelt.

Dafür braucht es Macher, Träumer, gute Organisatoren, Netzwerker, Visionäre und aktive, engagierte Bürgerinnen und Bürger auf allen Ebenen: Leute, die an eine gute Zukunft für Hildburghausen glauben und die tatkräftig dafür eintreten.

Mit einer Politik übrigens, die sich willenlos den Wünschen anonymer Großkonzerne ergibt, muss außerdem Schluss sein. Diese Stadt muss ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen. Wir brauchen starke, lokale Wirtschaftskreisläufe. Wir brauchen jede und jeden.

Florian Kirner
1. Vorsitzender
Hildburghäuser Werbering e.V.

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