Mut zur Eigenverantwortung

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In der vergangenen Woche setzte der Hildburghäuser Bürgermeister Holger Obst seine Besuche bei Gewerbetreibenden der Innenstadt fort. Diesmal in der Oberen Marktstraße.

Hildburghausen – Vor zwei Jahren hat Friseurmeisterin Carolin Renelt den Sprung in die Selbstständigkeit getan. Mit einem hübschen Geschäft in der unteren Marktstraße, einen Katzensprung von dem entfernt, wo sie ihre Lehre absolviert hatte. Eigentlich, so sagt sie beim Bürgermeisterbesuch, habe sie dort bleiben wollen doch der Laden stand leer. Die junge Frau griff zu. Unterdessen arbeiten sie schon zu zweit im Salon.

Bürgermeisterrundgang: Stippvisite im Salon von Friseurmeisterin Carolin Renelt.
Bürgermeisterrundgang: Stippvisite im Salon von Friseurmeisterin Carolin Renelt.

Holger Obst, Werberingchef Bernd Klering und Wirtschaftsförderin Kerstin Heß beginnen ihre Stippvisite in Geschäften der Oberen Marktstraße im Salon von Carolin Renelt. Sie erzählt, wie es war, als sie sich selbstständig machte. Größe, Lage und Ambiente der Geschäftsräume hätten ihr zugesagt. Und auch die Familie habe sie in ihrem Streben nach einem eigenen Salon unterstützt. Helfen will auch der Bürgermeister. Es will wissen, wo der Schuh drückt und welchen Beitrag die Stadt leisten kann, damit sich die Geschäfte entwickeln können. Das Friseurhandwerk ist eines, das mit Stoßzeiten zurechtkommen müsse, sagt die Meisterin.

Irgendwie bringt Holger Obst auch die Mindestlohndebatte aufs Tapet. „Das wurde auch Zeit“, sagt Carolin Renelt. Sie weiß, wovon sie spricht. Gewiss, bei mehreren Angestellten sei es schwierig, 8 Euro 50 Fünfzig pro Stunde zu zahlen, aber dann müssten halt die Preise angehoben werden. – Gutes Geld für hohe Qualität eben. Unterdessen hat sich in dem schmucken Salon schon eine Stammkundschaft etabliert, von „der man leben kann“, wie es heißt. Doch was passiert, wenn sich die Bauarbeiten ausdehnen und die Innenstadt nicht mehr gefragt ist? Dann bleibt auch die Laufkundschaft, auf die der Salon trotz der Stammkunden angewiesen ist, weg, befürchtet die Ladeninhaberin. Glücklicherweise sei die Post in der Nähe. Damit sei die Achse vom Rathaus bis zur Post immer noch gut belebt.

Fußgänger halten

Auch Klering muss derlei Befürchtungen immer wieder hören. Man müsse verhindern, so sagt er, dass sich die Frequenz der Fußgänger weiter verringert. „Wir wollen die ehemaligen Länden in der Unteren Marktstraße wiederbeleben“, versichert auch der Bürgermeister. Doch es klingt ein bisschen ratlos, denn die Bauarbeiten im Marktbereich haben noch gar nicht begonnen. „Probleme mit Parkplätzen?“, setzt Obst das Gespräch fort. Mitunter, sagt Carolin Renelt, beschwerten sich die Kunden – überwiegend Frauen, die länger beim Friseur sitzen – weil ihnen nur eine Stunde kostenlose Parkzeit zugestanden werde. Doch insgesamt sei die Parksituation in der Innenstadt gar nicht so schlecht, zumal auch am Schlosscenter kostenlose Parkplätze zur Verfügung stünden.

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Dina Rotermund vom Teeladen gehört schon zu den „Alteingessenen“.

Dina Rotermund, die ein paar Schritte weiter ihren Teeladen betreibt, gehört schon seit 1999 zu den bekannten Adressen in der städtischen Szene. Angefangen hat sie in den Arkaden im Hof des einstigen Landratsamtes. Jetzt ist ihr Laden, der den bezeichnenden Namen „Teepause“ trägt in der Oberen Marktstraße angesiedelt. Dina Rothmund begrüßt die Initiative des Bürgermeisters, mit den Geschäftsleuten der Innenstadt ins Gespräch zu kommen. Auch sie ist mit der Kurzparkzeit nicht glücklich, findet es zudem negativ, „dass seit etlichen Jahren keine Parkplätze mehr auf der linken Straßenseite ausgewiesen sind.“ Es gebe viele Kunden, die „schnell was kaufen wollen“ und keinen Parkplatz in der Marktstraße fänden. Die Regelung einseitigen Parkens hat freilich ihren Grund. Das Problem sei gewesen, dass der Lieferverkehr bei beiderseitigem Parken nicht mehr durchkam, sagt der Bürgermeister. Auch die Schneeräumung im Winter sei durch beiderseitige Parkordnung stark eingeschränkt gewesen.

Wieder eingepegelt

Natürlich gibt es Stoßzeiten, in denen die Parkplätze auf der rechten Seite nicht reichen. Doch auch Rotermund spürt die Entlastung durch die Parkflächen entlang des Schlosscenters. Anfangs, so berichtet sie, habe das neue Einkaufscenter auf dem Bachplatz Kunden weggezogen. Unterdessen aber habe sich das Geschäft wieder normalisiert. Kein Wunder, denn bei Dina Rotermund findet man nicht nur exotische Tees, sondern auch Kaffee, Süßes und allerlei hübsch verpackte Geschenke. Und daher gabs vom Bürgermeister ein „Kompliment für den schönen Laden, der gut ins Spektrum der Marktstraße passt“.

„Was wir in der Oberen Marktstraße nicht wollen, sind Dauerparker“, erläutert Klering die Strategie der Stadt, die auf Kurzzeitparker setzt. Nach Beendigung der Sanierungsarbeiten müssten erneut Überlegungen angestellt werden, wie beiden Interessengruppen gedient sei. – Für Dina Rotermund, die sich mit ihrem Teeladen in der Stadt behaupten konnte, gilt die unumstößliche Devise, das Beste aus allem zu machen. Und daher vertritt Rotermund den Standpunkt, dass man als Geschäftsfrau „für die meisten Sache ohnehin selbst verantwortlich“ sei. Eine solche Einstellung nötigt Respekt ab, auch (oder gerade) vonseiten der Besucher aus der Stadtverwaltung.

Von Regina Haubold

Fotos: frankphoto.de

Quelle:
Freies Wort
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